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In Krisenzeiten Gesundheit fördern

Psychische Gesundheit fördern – eine Hilfestellung für alle, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben

In Krisenzeiten nehmen psychische Belastungen und Erkrankungen stark zu – das haben wir in den letzten beiden Jahren deutlich sehen können. Kontakteinschränkungen und Kontaktverbote („social distancing“) können sich tiefgreifend auf die gesunde Entwicklung von Kindern und Jugendlichen auswirken. Zwänge, Angststörungen, Depressionen und Suizidalität steigen im Jugendalter seit Monaten in verstärktem Ausmaß an. Auch Essstörun- gen treten bei deutlich mehr Jugendlichen auf als noch vor einem Jahr. Schulabsentismus und Schulabbruch haben deutlich zugenommen. Das virtuelle Leben an den Bildschirmmedien zog viele Kinder und Jugendliche vermehrt in seinen Bann.

Aktuell werden die oft bereits angeschlagenen Seelen der Kinder und Jugendlichen durch die Nachrichten vom Krieg in der Ukraine erschüttert. In den nächsten Tagen und Wochen werden akut traumatisierte Kinder und Jugendliche als Flüchtlinge an unsere Schulen kommen.

Die Herausforderung für die Schulen in den kommenden Monaten und Jahren wird sein, für alle Kinder ein Ort der Freude, Sicherheit und Zuflucht zu sein. Die Kollegien und die Elternschaft müssen zusammenkommen, um gemeinsam Kraftquellen für die Schulgemeinschaft zu erschließen und zu pflegen, um innere Sicherheit und Resilienz zu fördern.

Fürsorge als Grundhaltung im Gespräch

„Wie geht es Dir?“ – Diese oft nur höflich gemeinte Frage ernst zu nehmen und mit echtem Interesse an sich selbst oder andere zu richten, ist eine wichtige Basis. Ein möglicher Schritt aus Angst und Erschöpfung hinaus ist das Gespräch. Angesprochen werden, gefragt werden, kann eine Erlösung aus einer bedrängten Situation oder Sprachlosigkeit sein.

Selbstachtsamkeit

Für viele Menschen ist durch die Belastungen und Herausforderungen der Corona-Krise ein körperlicher und/oder seelischer Erschöpfungszustand eingetreten. Selbstachtsamkeit, Erholung und Gesundung der eige- nen Seele ist für viele Eltern, Kolleginnen und Kollegen an den Schulen noch wichtiger geworden, insbesondere, um den Kindern und anderen helfen zu können. Wer bemerkt, dass er das nicht mehr geben kann, sollte auch für sich selbst Entlastung und Hilfe suchen.

Heilsame Wirkung wertschätzender Kommunikation

  1. einen angemessenen Rahmen mit abgestimmter Zeit und geschütztem Raum herstellen
  2. dem anderen wohlwollend und interessiert zuhören
  3. vorgefasste Meinungen und Vorurteile überdenken
  4. in verfahrenen Situationen eine dritte außenstehende Person hinzu bitten
  5. in Gruppen und Kollegien kann eine gemeinsame künstlerische Übung zur sozialen und multiperspektivi- schen Wahrnehmung als Auftakt hilfreich sein

Leibliches Wohlbefinden

Gute Ernährung ist die erste Grundlage für Wohlbefinden und Rückkehr ins Leben. Schon in der Gestaltung von Mahlzeiten liegen zahlreiche gesundende Faktoren. So können schon ein schön gedeckter Tisch und ein schöner Essraum Freude wecken. Dann spielt es eine Rolle, mit wem man die Mahlzeit verbringt und ob gute Gespräche das Essen begleiten. Nicht zuletzt sind leckere und gesunde Nahrungsmittel eine Wohltat und Kraftquelle. Mahl- zeiten sollten Smartphone-freie Zeiten sein, damit man sich wirklich mit allen Sinnen dem Essen und der Familie oder Tisch-Gemeinschaft zuwenden kann.

Rhythmuspflege und Schlaf

Im Unterricht, der Tages- und Wochenstruktur geben Rhythmus-Elemente Kraft, Sicherheit und Orientierung. Die aktive Gestaltung des Taglebens fördert zugleich den Schlaf. Anspannung und Lösung bewusst zu gestalten, ist Entwicklungsunterstützung und Heilmittel zugleich.

Raumgestaltung, Bewegung und Sinnespflege

Ein frischer Geruch im Raum, ausreichend Pausen, Spiel und Bewegung im Freien können schon helfen, die Stimmung zu heben. Rituale und verlässliche Verabredungen geben Vertrauen und ein Grundgefühl von Sicher- heit zurück. Morgens den Tag mit einem Kreis zu beginnen, in dem Raum und Zeit ist, etwas zu erzählen, etwas Schönes anzuschauen oder einfach eine Kerze anzuzünden. Der Kreis ist wie eine Grundfigur des heilen, schüt- zenden und sicheren Umschlossenseins.

Tastspiele sind ohne Aufwand zu realisieren, oder viel öfter einfach mal barfußlaufen oder einen Barfuß- Parcours auf dem Pausenhof einrichten. Auf dem Balken wird das innere und äußere Gleichgewicht geübt. Man spürt sich danach wieder bis in die Zehenspitzen! Bewegung ist ein anerkanntes Antidepressivum! Das gilt ganz besonders für das Tanzen, welches darüber hinaus verlorener Beziehungsfähigkeit auf die Füße hilft. Lernen kann auch in Bewegung stattfinden. Manch einer lernt sogar im Gehen besser auswendig!

Kunst und Kreativität

Alles künstlerische Tun unterstützt zugleich das Gefühl von Selbstwirksamkeit, gibt der Seele die Möglichkeit, sich auszudrücken, manchmal sogar unaussprechbare Belastungen zu externalisieren oder einfach die Schönheit eines selbst geschaffenen Werkes zu genießen. Musik und Singen befreien und beschwingen die Seele! Theaterspiel hat vielfältiges Potenzial, insbesondere für Jugendliche: Man kann aus seiner Haut in eine andere Rolle schlüpfen, über sich selbst hinauswachsen, sich stärker ausdrücken lernen, Gemeinschaft neu erleben … Es ist ein großartiges Mittel zur Entwicklung kommunikativer Fähigkeiten und zur Persönlichkeitsentfaltung überhaupt!

Beziehung zu Menschen und Erde

Es kommt darauf an, Erziehung wieder in unmittelbarer Beziehung zu erleben: „Der Mensch wird am Du zum Ich.“, wie Martin Buber es treffend auf den Punkt brachte. Es braucht dazu gemeinsame Feste, Spielräume und andere Gelegenheiten, wo Nähe, Berührung, Geselligkeit und Freude ohne Beschränkung ermöglicht werden! Soziale Fragen und Unterschiede sind deutlicher hervorgetreten. Im Sozialpraktikum und Sozialkundeunter- richt können hier lebensnah Erfahrungen gesammelt und diskutiert werden.

Praktika in Umweltschutz, Land- und Forstwirtschaft machen Jugendliche stark und handlungsfähig. Sich den ökologischen Bedürfnissen unseres Planeten und einer gesunden Zukunft zu widmen, liegt den Heranwachsen- den am Herzen und ist ohnehin das Lebensthema für die kommenden Jahre. Sie werden sich dadurch den großen Zukunftsaufgaben eher gewachsen fühlen, wenn sie in diesen Bereichen konkrete Erfahrungen sammeln kön- nen. Das Zusammenleben in einer stabilen Gruppe bei solchen „Einsätzen in und für die Natur“ befriedigt zugleich ihr großes Bedürfnis nach Freundschaft und sozialen Übfeldern.

 

Verfasser.

Initiativkreis des Internationalen Forums der Schul- und Kindergartenärzt:innen:

Michaela Glöckler, Renate Karutz, Ulrike Lorenz, Claudia McKeen, Karin Michael, Bettina Pump, Martina Franziska Schmidt, Georg Soldner

 

Weiterführende Links

Kinder und Medien  https://www.diagnose-media.org/

Medienfasten – einfach mal abschalten  https://medienfasten.org/

Notfallpädagogik – Ideen und Methoden

https://www.freunde-waldorf.de/notfallpaedagogik/hintergrund/methoden/ Notfallpädagogik ohne Grenzen

https://nfp-og.org/

Zentrum für Gesundheit und Pädagogik  www.tessin-zentrum.de

 

Weiterführende Literatur

Antonovsky, Aaron: Salutogenese. Zur Entmystifizierung der Gesundheit, Tübingen 1997.

Bleckmann, Paula: Medienmündig. Wie unsere Kinder selbstbestimmt mit dem Bildschirm umgehen lernen, Stuttgart 2020.

Glöckler, Michaela, Goebel, Wolfgang, Michael, Karin: Kindersprechstunde. Ein medizinisch-pädagogischer Rat- geber, Stuttgart 2018.

Glöckler, Michaela: Kita, Kindergarten und Schule als Orte gesunder Entwicklung: Erfahrungen und Perspektiven aus der Waldorfpädagogik für die Erziehung im 21. Jahrhundert, Stuttgart 2020.

Neider, Andreas (Hg.): Krisenbewältigung, Widerstandskräfte, Soziale Bindungen im Kindes- und Jugendalter, Krisenbewältigung, Widerstandskräfte, Soziale Bindungen im Kindes- und Jugendalter, Stuttgart 2011.

Ruf, Bernd: Krieg – Flucht – Notfallpädagogik. Wie Pädagogik minderjährigen Flüchtlingen helfen kann, trauma- tische Erlebnisse zu überwinden, Arlesheim 2019.

Ruf, Bernd: Trümmer und Traumata. Anthroposophische Grundlagen notfallpädagogischer Einsätze, Arlesheim 2012.

Vagedes, Jan, Soldner, Georg: Das Kinder-Gesundheitsbuch. Kinderkrankheiten ganzheitlich vorbeugen und heilen, München 2013.

 

Fähigkeiten

Gepostet am

14. April 2022