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Plötzlich vor zwei Wochen zeigten sich die ersten Knospen an den Bäumen und mit der Sonne diese Woche kamen trotz der Kälte die Triebe zum Grünen. Das Leben zieht aus dem Boden und dem Grau des Winters folgt die Farbenvielfalt des Frühlings. Es beginnt im Frühling das Spiel mit dem Grün in all seinen Schattierungen. Der Himmel zeigt noch ein kühle Blau, aber sobald die Sonne hervorkommt, wird das Blau strahlender und dunkler. Die Seele geht mit den Jahreszeiten mit, beim Riechen der Frühlingsluft, bei der Freude an den aufgehenden Knopsen und in der Begeisterung beim Entdecken den farbigen Blüten. Im Frühling erwacht alles zu neuem Leben, blüht im Sommer auf, um dann im Herbst zu verblühen und im Winter in den Winterschlaf zu fallen.

Im Grunde aber sind die Jahreszeiten grandiose kosmische Bewegungsgesten. Die Erde wandert einmal im Jahr um die Sonne – ein Gang, der die Grundlage des Jahreslaufs bildet. Diese große Bewegung wird durchzogen von einer kleinen, viel rascheren: der Drehung um die eigene Kugelachse, jene Drehung, die Tag und Nacht
erzeugt; Sonnenzuwendung und Sonnenabwendung im steten Wechsel. Doch die Erdachse steht nicht senkrecht auf der Jahresbahnebene, sondern gerade in dem Winkel, der die wunderbaren Schwankungen des Jahreslaufes erzeugt, den „Aufstieg“ der Sonne und ihren „Abstieg“.
Wir können uns auch die Fragen stellen:
– Was geschähe, wenn die Erde auf ihrer Bahn nicht wandern würde, wenn sie still stünde?
– Was geschähe, wenn die Erde sich nicht im Tageslauf um ihre Achse drehen, sondern, wie der Mond der Erde, so der Sonne   
   immer die gleiche Seite zuwenden würde?
– Was geschähe, wenn die Erdachse nicht mit jenen 66,5 Grad abweichen, sondern mit exakt 90 Grad senkrecht auf ihrer
  Jahresbahnebene stehen würde?
Eine Erde, die auf ihrer Jahresbahn still stünde, müßte in die Sonne stürzen und in ihr verbrennen. Die Erde stürbe den kosmischen Verbrennungstod. Im täglichen Aufgang der Sonne tritt die große kosmische Feuermacht in Erscheinung und beschenkt die Erde mit Licht und Wärme, ohne jedoch sie in ihrem Feuer aufzulösen.
Eine Erde, die sich nicht im Tageslauf um ihre Achse dreht, erstarrt in der Polarität von ewigem Tag und ewiger Nacht. Sie stürbe den kosmischen Erstarrungstod. Im Mondtrabanten begleitet die Erde fortlaufend das Bild dieser Abweichung von ihrem rhythmischen Bewegungsleben.
Eine Erde, deren Achse senkrecht auf ihrer Jahresbahnebene stünde, hielte der Sonne immer gleiche Gürtelzonen entgegen – ohne den Wechsel der Jahreszeiten. Sie verfiele so in kosmische Langeweile.
Diese rhetorischen Fragen und ihre Antworten decken ein eigenartig bewegtes Gleichgewicht auf, das die Erde rhythmisch zwischen kosmischer Verbrennung und kosmischer Todeserstarrung schwingen lässt. Wir dürfen vermuten, daß diese geheimnisvolle bewegte Mittelstellung zwischen den Polen, welche Sonne und Mond repräsentieren, gerade das eigene Leben der Erde begründen. (Klaus Dumke, Ostern im Gang des Jahres, 1998)

Die Jahreszeitenfeste lassen uns aus dem Alltag heraustreten und bieten uns die Möglichkeit kosmische Zusammenhänge zu schauen. Ostern ist eines dieser Feste. Mit dem Erkennen der Bedeutung der jahreszeitlichen Rhythmik verwandelt sich unsere Selbstverständlichkeit in Dankbarkeit und Ehrfurcht. Als Menschen können wir uns bis heute auf die kosmischen Gegebenheiten verlassen, unser Alltag ist davon scheinbar nicht berührt. Die Natur aber berührt uns täglich, wir müssen nur hinhören und offen sein.

Katharina Runge

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